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Familienstudie Baden-Württemberg: Kinder langfristig immun gegen Covid-19
Neben Risikogruppen, älteren Personen und jenen Menschen, die aus medizinischen Gründen nicht gegen Covid-19 geimpft werden können, rücken Kinder im Laufe der Pandemie stärker in den Fokus. Die Frage ist dabei nicht nur, inwieweit jüngere Bevölkerungsgruppen als Infektionstreiber gesehen werden können, sondern auch, wie die Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen verläuft. Die Universitätskliniken Freiburg, Heidelberg, Tübigen und Ulm haben Mitte Juli 2021 die Ergebnisse einer Familienstudie zu Covid-19 (PrePrint) vorgestellt.
Fakten-Box
Titel im Original: Typically asymptomatic but with robust antibody formation: Children’s unique humoral immune response to SARS-CoV-2
Veröffentlichungsdatum:20.07.2021
StudienautorInnen: Hanna Renk, Alex Dulovic, Matthias Becker, Dorit Fabricius, Maria Zernickel, Daniel Junker, Alina Seidel, Rüdiger Groß, Alexander Hilger, Sebastian Bode, Linus Fritsch, Pauline Frieh, Anneke Haddad, Tessa Görne, Jonathan Remppis, Tina Ganzemueller, Andrea Dietz, Daniela Huzly, Hartmut Hengel, Klaus Kaier, Susanne Weber, Eva-Maria Jacobsen, Philipp D. Kaiser, Bjoern Traenkle, Ulrich Rothbauer, Maximilian Stich, Burkhard Tönshoff, Georg F. Hoffmann, Barbara Müller, Carolin Ludwig, Bernd Jahrsdörfer, Hubert Schrezenmeier, Andreas Peter, Sebastian Hörber, Thomas Iftner, Jan Münch, Thomas Stamminger, Hans-Jürgen Groß, Martin Wolkewitz, Corinna Engel, Marta Rizzi, Philipp Henneke, Axel R. Franz, Klaus-Michael Debatin, Nicole Schneiderhan-Marra, Ales Janda, Roland Elling
Status: PrePrint
Link: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.07.20.21260863v1
Hintergrund der Studie
Vom Land Baden-Württemberg erfolgte der offizielle Auftrag an die Universitätskliniken Freiburg, Heidelberg, Tübigen und Ulm herauszufinden, wie sich Covid-19-Infektionen bei Kindern bemerkbar machen, welche Symptome zu erkennen sind und wie die Immunantwort des kindlichen Abwehrsystems ausfällt. Die Notwendigkeit ist insofern gegeben, als es bislang wenige Studien zur Immunität gibt, die Kinder in einer repräsentativen Anzahl einschließen. Zudem wird aktuell diskutiert, ob Kinder in Impfempfehlungen der nationalen Gremien eingeschlossen werden sollen. Das Infektionsgeschehen bei Kindern und Jugendlichen hat direkte gesellschaftliche Auswirkungen, wenn nicht-medizinische Maßnahmen getroffen werden müssen, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern, wie z. B. Schließungen von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen, Maskenpflicht im Unterricht u. a. Aktuell hat man sich auf den Wissensstand geeinigt, dass Covid-19-Infektionen bei Kindern häufig mild oder weitgehend ohne Symptome verlaufen und ein Kind, das über eine entsprechende Virenlast verfügt, andere Personen anstecken kann. Ob Kinder sich gegenseitig und/oder Erwachsene seltener oder häufiger anstecken als es in anderen Personengruppen der Fall ist, konnte bis dato noch nicht vollständig geklärt werden. Offen ist auch, ob endemische humane Coronaviren (HCoV), die ohnehin bei Kindern und Jugendlichen zirkulieren, einen gewissen Kreuzschutz vor Sars-CoV-2 bewirken.
Wie wurde die Studie durchgeführt?
Bei der PrePrint-Studie handelt es sich um eine Längsschnittstudie, die in 328 deutschen Haushalten durchgeführt wurde, in denen mindestens ein haushaltszugehöriges Familienmitglied mit Sars-CoV-2 infiziert war. Die Gesamtdauer der Untersuchung betrug 12 Monate, die StudienteilnehmerInnen wurden zu unterschiedlichsten Zeitpunkten untersucht/befragt. Die Kohorte ist laut Studienbeschreibung besonders, da die Probanden überwiegend asymptomatisch erkrankt sind oder einen sehr milden Verlauf zeigten. Die nicht erkrankten Familienmitglieder konnten als umwelt- oder altersgleiche Kontrollgruppe eingestuft werden. Bei den TeilnehmerInnen wurden jeweils zwei Blutproben entnommen, die im Labor auf Covid-19 Antikörper, neutralisierende Antikörper und den Einfluss endemisch humaner Coronaviren (HCoV) hin untersucht wurden. Die TeilnehmerInnen hatten während der ersten Pandemiewelle (Mai bis August 2020) die Möglichkeit, sich für die Studie anzumelden. Insgesamt umfasste die Studie 548 Kinder zwischen 6 und 14 Jahren und 717 Erwachsene.
Studienergebnisse
Die PrePrint-Studie zeigt, dass sich Kinder weniger häufig anstecken als Erwachsene. Gibt es im Haushalt eine infizierte Person, steckten sich 34 % der Kinder und 58 % der Erwachsenen bei dieser Person an. Interessant sind auch die Ergebnisse zu den möglichen Krankheitsanzeichen. Infektionen mit Sars-CoV-2 verlaufen bei Kindern fünfmal häufiger ohne Symptome. Das bedeutet, 9 % aller Erwachsenen und 45 % aller Kinder blieben symptomlos, obwohl eine Infektion im Labor nachgewiesen werden konnte. Mit zunehmendem Alter ändert sich das jedoch – je älter Kinder/Erwachsene, desto eher zeigen sie Symptome der Erkrankung. Hinsichtlich der Langzeitimmunität konnte anhand einer Titerbestimmung festgestellt werden, dass Kinder elf bis zwölf Monate nach einer Infektion eine stärkere und länger anhaltende Immunreaktion auf SARS-CoV2 haben (im Vergleich zu Erwachsenen). Es spielt dabei keine Rolle, ob die Infektion mit oder ohne Symptome verläuft. Grundsätzlich gelten Durchfall, Fieber, Husten und Verlust des Geschmackssinns als relativ verlässliche Erkrankungssymptome bei Erwachsenen, wohingegen Kinder eher von Geschmacksstörungen betroffen sind und andere Symptome wie z. B. Husten nicht als sichere Indikatoren für eine Coronaerkrankung herangezogen werden können. 87 % aller nachweislich infizierten Kinder litten unter Geschmacksverlust. Das wiederum wirft die Frage auf, ob es künftig unterschiedliche Testverfahren für Kinder und Erwachsene geben soll.
Empfehlungen der AutorInnen
Die StudienautorInnen halten fest, dass es epidemiologisch gesehen von großer Bedeutung ist, die Immunantwort auf eine Infektion mit dem Coronavirus von Kindern und Jugendlichen zu verstehen, da dies wiederum Implikationen für nationale Impfgremium und das Vorgehen in der Pandemiebekämpfung hat. Die vorliegende Studie bestätigt vorangegangene Studien dahingehend, dass Kinder sich deutlich seltener anstecken als Erwachsene. Ebenso hat sich gezeigt, dass viele Infektionen bei Kindern ohne Symptome oder sehr mild verlaufen. Dennoch verfügen Kinder, wenn sie einmal an Sars-CoV-2 erkrankt waren, über eine ausgeprägtere, also stärkere Immunreaktion dh. Sie sind besser geschützt sowohl hinsichtlich der Langlebigkeit als auch der Quantität der Antikörper. Die Seroreversion verläuft laut Studienergebnissen bei Kindern wesentlich langsamer als bei Erwachsenen. Diese Ergebnisse könnten laut der durchführenden Universitätskliniken Auswirkungen auf pädiatrische Impfkampagnen haben.
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