Schieflage in Mamas Bauch – Ein Gespräch über Äußere Wendung und Beckenendlage

Von einer Beckenendlage spricht man, wenn dein Baby nicht mit dem Köpfchen nach unten in der Gebärmutter liegt, sondern gewissermaßen im Bauch sitzt, also mit dem Popo nach unten zeigt. Vor der Geburt ist das bei etwa 5% aller Babys der Fall – eine Kaiserschnittentbindung ist aber nicht zwingend notwendig. OA Dr. Joachim Pömer ist Facharzt für Gynäkologie & Geburtshilfe und zudem spezialisiert auf Beckenendlage (kurz: BEL) und die sogenannte Äußere Wendung. In einem interessanten Interview hat er uns erklärt, worauf man bei natürlichen Entbindungen aus Beckenendlage achten muss, wie hoch die Risiken für Mutter & Kind sind und wann ein Kaiserschnitt doch die bessere Lösung ist.

Dr. Pömer Schwanger.at Interview

BabyForum.at: Im Vorfeld dieses Interviews haben wir bereits über die Risiken und Chancen einer natürlichen Beckenendlagengeburt gesprochen. Sie haben sich im Laufe Ihrer Ausbildung intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, warum sollte der natürlichen Geburt aus BEL wieder mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden?

Dr. Joachim Pömer: Alle Geburtshelfer sind sich darin einig, dass die BEL KEINE geburtsunmögliche Position darstellt. Es gibt also theoretisch in jedem Fall die MÖGLICHKEIT die Spontangeburt zu wählen. Vielerorts ist die Erfahrung in der Begleitung einer Spontangeburt aber verloren gegangen. Zum einen durch die Pensionierungswelle unserer Lehrergeneration und zum anderen durch den Anspruch auf den sichersten Geburtsmodus. Wie in vielen anderen Fällen wurde auch bei der BEL postuliert, dass nur der Kaiserschnitt einen sicheren Geburtsweg darstellt. Um die Probleme dieses Missverständnisses und die Folgen der vielen Schnittentbindungen sowohl für Mutter als auch Kinder wissen wir heute. Es findet also ein Umdenken statt. Aber wie bei der Klimadebatte braucht es zumindest eine Generation, um dies auch umzusetzen.

Zudem sollte allen Geburtshelfern klar sein, dass jeder in die Situation kommen kann, dass eine Mama pressend ins Spital kommt und man vaginal entbinden muss, da die Sectio ab einem gewissen Zeitpunkt nur mehr schwer möglich ist. Ebenso drehen sich einige zweite Zwillinge in Beckenendlage, in diesen wirklich eigentlich unkomplizierten Fällen müsste dann ein Kaiserschnitt am zweiten Zwilling gemacht werden. Ich denke, die Möglichkeit, Beckenendlagen spontan zu entbinden, kann heute ein echtes Gütesiegel und ein Zeichen der Erfahrung für eine Geburtshilfeabteilung sein.

BabyForum.at:Worauf muss man achten, wenn man trotz Beckenendlage eine natürliche Geburt möchte?

Dr. Joachim Pömer: Ich denke, primär muss man darauf achten, sich seine Autonomie zu bewahren. Ich würde dazu raten, früh das Gespräch mit der Hebamme zu suchen. Zudem würde ich Kontakt mit ausgewiesenen BEL Experten suchen. Diese können vom eigenen Frauenarzt oder eben der Hebamme vermittelt werden.

Wenn man seine Sorgen mit Experten teilt, werden die Fragen relativ schnell beantwortet sein und Unsicherheiten haben erst gar keine Chance. Wenn ich eine echte schwere Erkrankung habe, will ich ja auch durch den Chirurgen beraten werden, welcher diese Operation regelmäßig macht. Wir arbeiten hier super mit den niedergelassenen FrauenärztInnen und Hebammen zusammen.

Die jeweiligen Berater werden dann die Umgebungsumstände wie Voroperationen, Kindsgewicht usw. in die Überlegungen mit einbeziehen und so den besten Weg zeichnen können. Geburtshilfe ist weit mehr als Lehrbuchwissen. Es scheint notwendig, alle Umgebungsumstände mit einzubeziehen. Ich sollte alle offenen Fragen vor der Geburt geklärt haben. Dennoch kann es zu jedem Zeitpunkt zum Abbruch kommen. Beim Auftreten eines Problems sind immer drei Dinge zu überlegen: 1. Kann ich beim Auftreten von daraus resultierenden Problemen die Geburt noch managen, entspricht die Problemlösung meinem Ausbildungsstand? 2. Ist die Mama noch so fit, dass wir weiterarbeiten können? 3. Hat das Baby noch ausreichend Ressourcen, um im letzten Part der Geburt schadlos zu überstehen? Dieser ist  bei der BEL wie auch der Schädellage der Herausforderndste für das Baby.

BabyForum.at: Es gibt die Möglichkeit, Babys noch im Mutterleib zu wenden. Können Sie uns das genauer beschreiben?

Dr. Joachim Pömer: Es handelt sich hierbei um eine äußere Wendung (extracephalic version -wenn man in englischen Medien sucht). Hierbei wird an unserer Abteilung in der Regel in der SSW 36+0 – 37+6 versucht, durch sanften Druck auf die Gebärmutter den Popo des Babys aus dem mütterlichen Becken zu heben und dann mit sanftem Druck auf Steiß und Kopf eine Drehbewegung zu erzielen. Am besten man schaut sich ein Video dazu an. Diese Art der Wendung ist übrigens auch bei Zwillingen, wo der erste Geminus in BEL liegt, einen Versuch wert. Man kann sich hierfür gerne bei uns in Linz melden. Ansonsten gibt es auch einen Arzt in Berlin, der dies im deutschsprachigen Raum meines Wissens nach zum ersten Mal in den letzten Jahren durchgeführt hat. Bei Zwillingen würden wir in der 35.SSW wenden.

Beckenendlage in der Magnetresonanztomographie.
Beckenendlage in der Magnetresonanztomographie. © CC Hellerhoff

BabyForum.at: Der Gedanke, ein Baby „mit dem Popo voran“ auf die Welt zu bringen, macht vielen Müttern Angst. Ist eine spontane Entbindung aus BEL denn riskanter als eine herkömmliche Geburt?

Dr. Joachim Pömer: Maßgeblich ist, in welchem Umfeld ich eine BEL zu Welt bringe. In einer Klinik mit entsprechender Erfahrung und vor allem regelmäßig durchgeführten Beckenendlagengeburten gilt die Spontangeburt aus Beckenendlage als adäquater Geburtsmodus. Ich selbst beschreibe die BEL im Aufklärungsgespräch immer als physiologische Geburt mit aber erhöhtem Risiko des pathologischen Geburtsverlaufes. Daher ist es so wichtig, dass Hebammen und ÄrztInnen anwesend sind, welche zur rechten Zeit erkennen, dass ein Abbruch der Geburt hin zum Kaiserschnitt sicherer ist.

Es werden relative viele Geburten abgebrochen (~ 25-30%) – dies liegt aber nicht an der akuten Gefährdung der Kinder, sondern am Bestreben das Ungeborene nicht unnötig in Gefahr zu bringen bzw. nicht in eine Situation zu kommen, der man, wie oben schon beschrieben, nicht mehr gewachsen ist. Aus meiner ganz persönlichen Sicht ist aber die abgebrochene Spontangeburt in den meisten Fällen der Plansectio vorzuziehen; das Kind sucht den Geburtstermin aus und die Mama hat die Chance, sich auf eine natürliche Geburt einzulassen. Viele Hebammen berichten auch, dass die Erholungsphase nach einer Sectio rascher voranschreitet, wenn der Kaiserschnitt aus der Geburt heraus gemacht wurde. Entsprechend prospektive Studien sind mir dazu aber nicht bekannt. In jedem Fall ist es aber ein ansprechender und interessanter Zugang. Wichtig ist mir auch, dass der Kaiserschnitt aus der Geburt heraus in den allermeisten Fällen ein Kaiserschnitt mit Kreuzstich ist – also kein Notkaiserschnitt mit Vollnarkose. Viele Mamas haben die Sorge beim Aufklärungsgespräch, dass hier immer eine Notsectio gemacht würde – das ist zum Glück nicht so!

BabyForum.at: Wie erfolgversprechend sind Äußere Wendung und die Geburt in Beckenendlage?

Dr. Joachim Pömer: Auch dies ist von Haus zu Haus verschieden; nebenbei spielt es oft (aber nicht immer!) eine Rolle, das wievielte Kind es ist. Im Groben kann man aber vermuten, dass die Erfolgsrate bei versuchter Spontangeburt bei knapp 70-80% liegen wird. Bei der Wendung liegen wir bei 60-70% Erfolgsrate. Kontraindiziert ist die Wendung eigentlich nur, wenn eine Spontangeburt aus Schädellage kontraindiziert wäre. Eine Vorderwandplazenta oder der Zustand nach Kaiserschnitt beim ersten Kind sind keine Kontraindikationen.

BabyForum.at: Welche Indikationen gelten es in diesem Zusammenhang für einen Kaiserschnitt? Gibt es Frauen, die aus medizinischen Gründen nicht natürlich entbinden können, wenn ihr Baby quer liegt?

Dr. Joachim Pömer: Die Querlage stellt in den wenigsten Fällen ein Problem dar, da sich der Großteil (90%) in Schädellage oder wenn nicht anders möglich in Beckenendlage drehen lässt. Eine Querlage, die sich nicht drehen lässt, muss aber per Kaiserschnitt entbunden werden, da es sich hier im Gegensatz zur Beckenendlage um eine Geburtsunmögliche Situation handelt. Ansonsten gelten im deutschsprachigen Raum Schätzgewichte über 3800g, vorliegende Mutterkuchen (gilt auch für die Schädellage) und Fehlbildungen als Kontraindikationen.

BabyForum.at: Sie bieten an der Universitätsklinik eine Sprechstunde für Beckenendlage an. An wen beziehungsweise wohin können sich Schwangere wenden, die in der näheren Umgebung keinen Spezialisten für dieses Thema haben?

Dr. Joachim Pömer: Es kommt regelmäßig vor, dass ich über die Ordination oder die Klinik aus anderen Bundesländern kontaktiert werde. In den letzten 2 Wochen waren eine Patientin aus Vorarlberg (zur Entbindung) und eine Patientin aus der Steiermark zur Wendung bei mir. Das Kind aus Vorarlberg hat sich aber im Zug zwischen Dornbirn und Linz selbst gewendet. Ansonsten schenken uns die Hebammen oder GynäkologInnen ihr Vertrauen und schicken konsequent in unsere Sprechstunde. Auch der Informationstransport von Häusern in der Umgebung, die selbst keine Spontangeburt anbieten, funktioniert immer besser. Danke an dieser Stelle an alle KollegInnen.

BabyForum.at: In Ihrer privaten Frauenarztpraxis in Linz sind sie auch als Gynäkologe tätig. Was wünschen Sie sich für die Geburtshilfe ganz allgemein und was für Schwangere, die sich vielleicht in einer speziellen Situation befinden (z.B. Beckenendlage, vorangegangener Kaiserschnitt)?

Dr. Joachim Pömer: Ich würde mir wünschen, dass wir allgemein mehr Personal in den Kliniken bekommen. Personal bedeutet, Zeit zu haben. Und Zeit brauchen Schwangere mehr als alles andere auf der Welt. Die Personalfrage ist eine Beinharte und ich verstehe auch, dass es ein begrenztes Budget gibt. Aber sagen Sie mir, welche Phasen des Lebens verdienen mehr Zeit als jene zwei Abschnitte, wenn Leben entsteht oder wenn Leben zu Ende geht, also die Geburtshilfe und die Palliativmedizin? In diesen Phasen wird jedem von uns klar, dass Zeit das einzig Entscheidende ist. Ob das die sonst von der Arbeit so gestressten Eltern sind, die erkennen, dass sie gerade das wertvollste Gut in Händen halten – die spüren wie groß bedingungslose Liebe sein kann, oder ob es die Hand ist die wir am Ende des Lebens halten und wir dann resümieren, wie viel Zeit wir uns für was im Leben genommen haben. Die Medizin unseres Jahrhunderts ist ZEIT! Was wünsche ich also allen Menschen: ZEIT!

BabyForum: Herr Dr. Joachim Pömer, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für ein Gespräch genommen haben.

OA Dr. Joachim Pömer, Facharzt für Gynäkologie & Geburtshilfe gibt in diesem BABY ACADEMY-Vortrag Informationen zu den möglichen Risiken, optimalen Geburtspositionen und Alternativen wie der äußeren Wendung:

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