Sternenkinder & stille Geburt

Im medizinischen Kontext spricht man von Fehl- oder Totgeburt, Betroffene bevorzugen die Bezeichnung „Sternenkind“. Der Begriff umfasst all jene Kinder, die noch während der Schwangerschaft, bei oder nach der Geburt verstorben sind. Die unglücklichen Umstände sind so individuell wie das Leben selbst, tiefe Trauer und der schmerzliche Verlust einen jedoch die Eltern und Hinterbliebenen.

Frau hält kleines Hasenstofftier

Fehlgeburt, Stille Geburt

Während es in der Geburtshilfe um Fakten und klare medizinische Begrifflichkeiten geht, ist es für betroffene Eltern nahezu unmöglich, das Unbegreifliche begreiflich zu machen. Die Umschreibung „Sternenkind“ soll zumindest ein wenig Trost spenden. Damit ist nämlich die Vorstellung gemeint, dass zu früh verstorbene Kinder zum Himmel reisen und dort als Stern funkeln. Dort haben sie ihren (neuen) Platz und sind von der Erde aus immer zu sehen. Der Verlust des eigenen Kindes während Schwangerschaft und Geburt oder kurz danach ist ein einschneidendes Erlebnis und für alle Beteiligten ein unglaublich schwieriger Lebensabschnitt. In vorangegangenen Generationen wurde das Thema tabuisiert, man hat schlichtweg nicht darüber gesprochen. Und den Eltern damit auch die Möglichkeit genommen, zu trauern. Erst in den letzten Jahren entwickelt sich ein gesteigertes Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, den Verlust entsprechend zu verarbeiten. Selbsthilfegruppen ermutigen zum Austausch und auch das Krankenhauspersonal wird immer besser auf den Umgang mit diesen herausfordernden Situationen geschult.

Was wissen wir über Fehlgeburten? Etwa 15% aller Schwangerschaften enden unglücklich. Dabei unterscheidet man frühe Fehlgeburten (bis zur 12. Schwangerschaftswoche) und späte Fehlgeburten (ab der 13. Schwangerschaftswoche). Die exakte Erfassung von Zahlen ist nicht möglich, da insbesondere frühe Fehlgeburten (in den ersten Wochen einer Schwangerschaft) häufig unbemerkt bleiben. Die Frauen wissen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, dass sie schwanger sind. Es kommt vor, dass die Fehlgeburt erst rückblickend bei einer gynäkologischen Untersuchung festgestellt wird. Zudem spielt auch das Gewicht des Babys eine Rolle. Wiegt das Kind bei der Geburt weniger als 500 Gramm, bezeichnet man es als Fehlgeburt. Übersteigt das Gewicht diese 500 Gramm-Grenze spricht man von einer Totgeburt. Soviel zur Begrifflichkeit. Die Gründe für eine Fehl- oder Totgeburt sind unterschiedlich, genauso die Risiken. Es ist bekannt, dass in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen ein höheres Fehlgeburtsrisiko besteht. Ab der 15. Schwangerschaftswoche nimmt dieses Risiko markant ab, es liegt dann nur mehr zwischen 1-3%. Zu den häufigsten Ursachen einer Fehl- oder Totgeburt zählen chromosomale Erkrankungen des ungeborenen Kindes, hormonelle Störungen und Infektionen. Bestimmte Erkrankungen der Mutter sowie unerwartete Schwangerschaftskomplikationen können ebenso zu einem unglücklichen Ausgang der Schwangerschaft führen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von einer stillen Geburt. Damit ist der Geburtsvorgang gemeint. Schließlich muss ein Kind, auch wenn es bereits im Mutterleib verstorben ist, das Licht der Welt erblicken. Den Müttern wird eine natürliche Geburt empfohlen und nur bei gesundheitlichen Problemen der Mutter wird ein Kaiserschnitt durchgeführt. Für die Eltern ist das ein unvorstellbarer Kraftakt, auch für das Betreuungspersonal im Spital ist eine derartige Geburt eine Ausnahmesituation, die einfühlsam begleitet werden will.

Eintragung ins Personenstandsregister

Unabhängig davon in welcher Schwangerschaftswoche das Baby verstorben ist und wie viel Gewicht es hatte, für Eltern geht ein wichtiger Teil verloren. Betroffene trauern um ihr Kind. War die gemeinsame Zeit auch noch so kurz, sie haben eine Verbindung zu diesem Wesen aufgebaut, es in ihr Herz geschlossen, sich eine gemeinsame Zukunft ausgemalt. Oftmals haben sie den Wunsch, als Eltern anerkannt zu werden und um das Kind trauern zu dürfen. Aus dieser Motivation heraus hat sich in den letzten Jahren eine Initiative formiert, die sich für die Eintragung von Sternenkindern ins Personenstandsregister stark gemacht hat. Diese Eintragung ist seit April 2017 auch tatsächlich möglich und bedeutet für Eltern von Sternenkindern, dass sie die Existenz ihres Kindes nun urkundlich beglaubigen lassen können. In einem Interview mit Babyforum.at erklärt Simone Strobl, Mutter von zwei Sternenkindern und einem Erdenkind sowie Obfrau des Vereins Pusteblume, warum diese Eintragung so wichtig ist: „Es geht darum, dass Fehlgeburten nicht mehr abgetan oder die Kinder als „zu klein“ bezeichnet werden. Uns war es ein großes Anliegen diese Initiative zu unterstützen, um Sternenkinder sichtbarer zu machen, unabhängig davon in welcher Schwangerschaftswoche und mit welchem Gewicht sie zu den Sternen gereist sind.“

Die Eintragung ins Personenstandsregister erfolgt ausschließlich auf freiwilliger Basis, Eltern sind nicht verpflichtet, ihr Kind ins Register aufnehmen zu lassen. Es spielt zudem keine Rolle, wie lange die Fehlgeburt zurückliegt. Für die Eintragung wird eine ärztliche Bestätigung über die Fehlgeburt sowie ein amtlicher Lichtbildausweis benötigt. Anlaufstelle ist das jeweils zuständige Standesamt. Betroffene erhalten eine Urkunde mit dem Namen des Kindes, dem Geschlecht (sofern bekannt), Tag und Ort der Fehlgeburt, Namen der Eltern (bzw. der Mutter). Beglaubigt wird das Dokument durch den Standesbeamten vor Ort. Rechtliche Verbindlichkeiten (z.B. Anspruch auf Mutterschutz) entstehen daraus nicht. Es handelt sich um eine urkundliche Bescheinigung, die im engsten Sinne nicht unter das Personenstandsgesetz fällt.

Bestattung & Gedenken

Mit dem Tod setzen wir uns nicht gerne auseinander, wir wissen aber um die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Stirbt ein Mensch, dann erfolgt eine Totenbeschau (durch einen Mediziner/eine Medizinerin), es wird ein Begräbnis und eine Trauerfeier organisiert. Anschließend erhält der Verstorbene einen „Platz“, der uns in dieser Welt an ihn erinnern soll. Er wird auf einem Friedhof zur letzten Ruhe gebettet. Wie ist das nun, wenn der für Eltern unvorstellbare Fall eintritt und ein Baby noch im Mutterleib oder kurz nach der Geburt stirbt? Was passiert mit dem Kind, das vielleicht nur wenige Zentimeter misst und federleicht ist? Darf ich mein Kind noch einmal sehen und vielleicht sogar halten? Will ich das überhaupt? All das sind Fragen, die man sich einfach nicht stellen möchte, auch dann nicht, wenn die traurigen Umstände es erfordern.

Grundsätzlich gilt, dass auch frühverstorbene Kinder bestattet werden können. Es obliegt jedoch den Eltern, sich darum zu kümmern und die Beerdigung zu organisieren. In Wien gibt es für Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm (Fehlgeburten) beispielsweise Sammelgräber, die Kinder werden eingeäschert. Für Kinder über 500 Gramm, die kurz vor, während oder nach der Geburt sterben, gibt es kleine Kindersärge. Sie können ebenfalls in einem Sammelgrab oder im Kinder- bzw. Familiengrab bestattet werden. Es ist auch möglich, Gedenk- und Abschiedsfeiern für das verstorbene Baby abzuhalten. In diesem Zusammenhang gibt es kein „richtig“ oder „falsch“. Eltern sind in dieser schweren Phase gefordert, ihren eigenen Weg zu finden. Überforderung, Schock, Wut, Scham, überbordende Trauer – die Bandbreite an Emotionen ist groß. Unterstützung finden Betroffene üblicherweise bei Familienangehörigen und Freunden, auch das Krankenhauspersonal und Hebammen sind Anlaufstellen. Wenn es im Spital einen Seelsorger/eine Seelsorgerin gibt, kann er/sie ebenfalls hinzugezogen werden.

Trauerarbeit

Werden Eltern, die eigentlich guter Hoffnung sind, unerwartet zu Eltern eines Sternenkindes, dann stehen sie vor der großen Herausforderung, wieder zurück ins Leben zu finden. Das bedeutet auch, dass sie sich auf gewisse Art und Weise mit dem Erlebten auseinandersetzen müssen. Über die Trauer berichtet Simone Strobl vom Verein Pusteblume: „Trauer ist etwas ganz Individuelles, jeder von uns trauert anders. Jede Mama, jeder Papa, jedes Paar gemeinsam trauert anders. Für mich ist es ganz wichtig auch in der Selbsthilfegruppe den Eltern zu zeigen, sie dürfen sich trauen, so zu trauern, wie es ihnen gut tut. Sie sollen nicht das Gefühl haben, dass sie nun so trauern müssen, wie es die Norm wäre oder wie es uns die Gesellschaft vorschreibt. Ich unterstütze die betroffenen Eltern dabei, in sich hinein zu hören und selbstbestimmt ihrem Gefühl zu folgen.“

Es gibt also kein Allheilmittel, keinen Weg, der verlässlich zur Bewältigung der Trauer führt. Eltern befinden sich in einer besonderen Situation, sie müssen den Verlust des eigenen Kindes verarbeiten, sich von jenen Wünschen und Vorstellungen lösen, die rund um die Geburt des Kindes erwachsen sind. Auch gilt es, einen neuen (Lebens-)Weg zu finden. Manchmal bedeutet der Tod des eigenen Kindes, dass Betroffene ihr bisheriges Lebensmodell, die Partnerschaft, die weitere Familienplanung oder berufliche Verpflichtungen hinterfragen. Selbst betroffen findet Strobl dafür ein schönes Bild: „Ich verwende in diesem Zusammenhang gerne das Bild eines Puzzles. Es sind viele Teile, die uns als Mensch ausmachen, vergleichbar mit Puzzleteilen. Wenn ein Kind zu den Sternen reist, sterben alle Pläne und Träume und damit zerfällt auch das Puzzle in seine Einzelteile. Betroffene müssen es dann erst wieder zusammensetzen, um sich ins Leben zurückleben zu können. Dabei müssen sie auf sich selbst hören und dafür benötigt jeder etwas anderes.“

Trauerarbeit kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Bewährt haben sich folgende Methoden:

  • Der Austausch mit anderen Betroffenen (z.B. in Form einer Selbsthilfegruppe)
  • Gespräche mit Fachpersonen oder TherapeutInnen
  • Bewusstes Abschiednehmen, z.B. indem man sich Zeit nimmt, das Kind noch einmal zu sehen, zu berühren oder zu halten (wenn man das möchte und es möglich ist)
  • Anfertigung von Bildern – die Initiative „Dein Sternenkind“ vermittelt beispielsweise Fotografen, die Fotos von den Sternenkindern anfertigen. Sie arbeiten ehrenamtlich auf Abruf und kommen bei Bedarf direkt zur Entbindungsstation.
  • Aufbewahren von weiteren Erinnerungsstücken. Das kann ein Fuß- oder ein Handabdruck des Babys, der Mutter-Kind-Pass oder ein so genanntes „Trösterchen“ sein.
  • Besuch eines Trauerseminars für „verwaiste Eltern“
  • Gestaltung von Trauer- und Abschiedsritualen (Gedenkfeiern, „Geburtstagsfeiern“, Führen eines Tagebuchs, Anfertigen von Sternenkinderkleidung)

Aktion Sternenkinderkleidung

An dieser Stelle möchten wir noch eine besonders schöne Initiative vorstellen. Im Rahmen der Aktion „Sternenkinderkleidung“ fertigen engagierte Freiwillige Bekleidung für Sternenkinder. Da die Babys häufig sehr früh und unerwartet geboren werden, fehlt es an der passenden Kleidung. Sie benötigen speziell angefertigte Kleidungsstücke, in Form von Einschlagdecken und winzig kleinen Mützchen. Simone Strobl, die diese Aktion maßgeblich mit ihrem Verein Pusteblume unterstützt, erklärt im Interview mit Babyforum.at, dass diese Kleidung eine wichtige Funktion erfüllt. Sie bewahrt die Würde der kleinen Wesen und ermöglicht es den Eltern, ihr Kind weich zu betten, gut gewärmt auf die Reise zu den Sternen zu schicken. Zu jedem Kleidungsstück gibt es auch ein sogenanntes Erinnerungsstück, das aus demselben Material/Stoff gefertigt wurde, wie die Kleidung an sich. Es verbleibt bei den Eltern. Genäht wird die Kleidung von freiwilligen Helferinnen, verteilt wird sie in Österreichs Geburtenstationen. Weiterführende Informationen und Fertigungsanleitungen findet man beim Verein Pusteblume und kann von betroffenen Eltern dort direkt und kostenfrei angefordert werden.

 

Experten-Überprüfung durch

Simone Strobl

DI Simone Strobl

Simone Strobl ist Mutter von zwei Sternenkindern und einem Erdenkind. Seit 2013 begleitet sie als Obfrau vom Verein Pusteblume und Leiterin der Selbsthilfegruppe für Fehl- und Totgeburten in Wels Eltern von Sternenkindern.

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