Beckenbodentraining für Frauen vor und nach der Geburt zur Prävention und Behandlung von Urin‐ und Stuhlinkontinenz

Der Beckenboden spielt eine zentrale Rolle für unseren gesamten Stütz- und Haltungsapparat. Während der Schwangerschaft und auch bei der Geburt wird er besonders beansprucht, da sich die Muskelschichten, Sehnen und Bänder ausdehnen, um für das Baby Platz zu machen. Im Zuge der Geburt kommt es zu einem erhöhten Druck auf den Beckenboden, da die Kontraktionen der Gebärmutter das Kind kraftvoll nach außen schieben. In der Rückbildung sollte der Wiederaufbau der Beckenbodenmuskulatur also entsprechend berücksichtigt werden.

Fakten-Box

Titel im Original: Pelvic floor muscle training for preventing and treating urinary and faecal incontinence in antenatal and postnatal women

Veröffentlichungsdatum: 07.05.2020

StudienautorInnen: Woodley SJ, Lawrenson P, Boyle R, Cody JD, Mørkved S, Kernohan A, Hay-Smith EJC.

Status: Peer Reviewed

Link: https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD007471.pub4/full/de

Hintergrund der Studie

Die StudienautorInnen stellen in ihrer Hintergrundanalyse fest, dass mehr als ein Drittel aller Schwangeren im zweiten und dritten Trimester von ungewolltem Harnverlust betroffen sind, nach der Geburt ist es ebenfalls ein Drittel aller Frauen. Über Stuhlinkontinenz und das ungewollte Abgehen von Darmwinden klagen ein Viertel aller Frauen im letzten Schwangerschaftsdrittel. Die Beschwerden halten bei etwa einem Fünftel der Betroffenen noch etwa ein Jahr nach der Geburt an. Die allgemeine ärztliche Empfehlung, um diesen Beschwerden vorzubeugen, lautet sowohl in der Schwangerschaft als auch nach der Geburt den Beckenboden aktiv zu trainieren. Dabei sollen die Muskelschichten mehrmals täglich nach einem bestimmen Ablauf angespannt und wieder lockergelassen werden. Ziel des vorliegenden Reviews war es, herauszufinden, ob Studien Hinweise darauf liefern, dass gezieltes Training des Beckenbodens eine Inkontinenz verhindern oder zumindest reduzieren kann.

Wie wurde die Studie durchgeführt?

Bei der PrePrint-Studie handelt es sich um eine Aktualisierung eines Register Reviews, das bereits 2017 durchgeführt wurde. Aktuell durchsucht wurden das Cochrane Incontinence Specialised Register, das Studien aus folgenden Registern einschließt: Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL), MEDLINE, MEDLINE In-Process, MEDLINE Epub Ahead of Print, CINAHL, ClinicalTrials.gov, WHO ICTRP. Außerdem wurden Zeitschriften und Konferenzberichten durchsucht (Suche am 7. August 2019) sowie die Referenzlisten der gefundenen Studien überprüft. Die Qualitätssicherung erfolgte mit der GRADE-Methode (“Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation”).

Studienergebnisse

Das vorliegende Review zum Effekt von Beckenbodentraining enthält insgesamt 46 Studien mit 10.832 Frauen aus 21 Ländern. Die Samples bestanden aus Frauen, die entweder schwanger waren oder innerhalb der letzten drei Monate ein Kind geboren hatten. Die Testpersonen waren zum Teil kontinent (ihnen wurde Beckenbodentraining zur Vorbeugung empfohlen) und zum anderen Teil bereits inkontinent (hier kam Beckenbodentraining als Therapiemethode zum Einsatz). Wenngleich die Studien zumindest mäßige Samplegrößen aufweisen konnten, war ein Vergleich schwierig, da es unterschiedlichste Methoden gibt, um den Beckenboden zu trainieren. Die StudienautorInnen geben an, dass sich die Trainingsprogramme in den untersuchten Studien erheblich voneinander unterschieden haben und dies auch die Vergleichbarkeit in der Erfolgskontrolle erschwert. Die Ergebnisse können wie folgt gruppiert werden:

  • Kontinente Frauen, die während der Schwangerschaft ihren Beckenboden trainieren (Prävention) haben eine höhere Wahrscheinlichkeit im letzten Schwangerschaftsdrittel sowie nach der Geburt ihre Harnkontinenz zu halten.
  • Bei einer in der Schwangerschaft bestehenden Harninkontinenz und damit verbundenem Beckenbodentraining gibt es keine Hinweise, dass die Inkontinenz im letzten Schwangerschaftsdrittel oder nach der Geburt verringert werden könnten.
  • In nur acht der Review-Studien wurde Stuhlkontinenz behandelt. Es konnten jedoch keine Hinweise gefunden werden, dass Beckenbodentraining einen vorbeugenden Effekt haben könnte, unabhängig davon, ob mit dem Training bereits vor oder erst nach der Entbindung begonnen wurde.

Die AutorInnen führen an, dass es auch wenige Daten darüber gibt, wie und ob sich das Beckenbodentraining auf die Lebensqualität von Inkontinenz-Patientinnen auswirkt, ob sich die Lebensqualität dadurch beispielsweise verbessert oder nicht. Ebenso konnten keine Hinweise auf Kosteneffizienz des Beckenbodentrainings gefunden werden. Die Evidenz der Ergebnisse allgemein wird von den AutorInnen als niedrig eingestuft, da die untersuchten Studien teilweise über zu kleine Beobachtungsgruppen verfügten oder methodische Schwächen zeigten.

Empfehlungen der AutorInnen

Im Zuge des Reviews stellte sich heraus, dass ein gezieltes Beckenbodentraining in der Frühschwangerschaft wahrscheinlich dazu führt, dass Inkontinenzymptome im letzten Schwangerschaftsdrittel sowie drei bis sechs Monate nach der Geburt verhindert werden können. Bei bereits bestehender Inkontinenz scheint das Training jedoch nur ein eingeschränkt wirksames Mittel zu sein. Die Ergebnisse hinsichtlich Beckenbodentraining und Stuhlinkontinenz sind wissenschaftlich nicht verwertbar, daher kann in diesem Zusammenhang keine Aussage getroffen werden, ob sich mögliche Symptome durch Beckenbodentraining verbessern oder nicht. Die Autoren der Studien fordern mehr Untersuchungen zur Stuhlinkontinenz und eine bessere Vergleichbarkeit der Trainingsprogramme und Inkontinenzstudien. Vor allem eine Standardisierung der Fragestellungen wird als relevant gesehen, da es ansonsten zu großen Unterschieden kommt, wie Stuhl- oder Harninkontinenz definiert werden. Das ist vor allem bei jenen Umfragen relevant, die in Form einer Selbstbeobachtungsstudie durchgeführt werden.

Effektives Beckenbodentraining

Üblicherweise kennt man Beckenbodentraining als Teil der klassischen Rückbildungsprogramme nach der Geburt. Etwa sechs bis acht Wochen nach der Geburt kann man nach der gynäkologischen Routinekontrolle mit Rückbildungs- oder Beckenbodengymnastik beginnen. Es gibt unterschiedliche Methoden und Programme. Bei speziellen Problemen und medizinischen Indikationen, z.B. Inkontinenz, kann der Arzt/die Ärztin das Training auch im Rahmen einer Physiotherapie verschreiben.

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