Wie Schlaflieder die Sprachentwicklung von Kindern fördern

Musik spielt in unserem individuellen und gesellschaftlichen Leben eine große Rolle, und so ist es kaum verwunderlich, dass im Grunde genommen kaum ein Kind ohne Musik aufwächst. Schon im Mutterleib kommen Babys zum ersten Mal in Berührung mit Tönen, Klängen und Stimmen – später lernen sie Spiellieder, Begleitlieder bei Krabbelreimen und Fingerspielen und erste Musikinstrumente kennen. Beim Einschlafen helfen oft Schlaflieder, die von Mama, Papa oder einer vertrauten Bezugsperson gesungen oder gesummt werden. Warum Musik für die sprachliche Entwicklung von Kindern so essenziell ist, wie Babys auf vorgesungene Melodien reagieren und was Eltern beim Vorsingen beachten können: Wir haben alle Infos für dich gesammelt.

Schlaflieder & Sprachentwicklung

Musik und Sprache teilen viele Gemeinsamkeiten, darunter Rhythmus, Melodie und Klangmuster, und Studien zeigen, dass frühe musikalische Erfahrungen die Sprachentwicklung von Babys positiv beeinflussen können. Eine der zentralen Verbindungen zwischen Musik und Sprache ist der Rhythmus. Sowohl in der Musik als auch in der Sprache sind rhythmische Muster von Bedeutung. Babys, die früh Musik hören, entwickeln ein besseres Verständnis für Sprachrhythmen, was ihnen später hilft, Wörter und Sätze besser zu strukturieren. Eine Studie der Universität von Washington fand heraus, dass Babys, die regelmäßig Musik mit komplexen Rhythmen hörten, schneller rhythmische und sprachliche Muster erkannten als solche, die nicht dieser Art von Musik ausgesetzt waren.

Babys & Gesang

Singen spielt eine besonders wichtige Rolle in der Sprachentwicklung von Babys. Studien zeigen, dass Babys, die regelmäßig Gesang hören oder gemeinsam mit ihren Eltern singen, Sprache schneller erlernen. Der Grund dafür liegt in der Wiederholung und dem Rhythmus von Liedern, die es Babys erleichtern, neue Wörter und Phrasen zu lernen. Eine Studie des Journal of Child Language zeigte, dass Kleinkinder, die häufigen Kontakt mit Musik hatten, einen größeren Wortschatz entwickelten und früher begannen, komplexe Satzstrukturen zu verwenden. Das gemeinsame Singen stärkt auch die soziale Interaktion, was entscheidend für die Sprachentwicklung ist.

Forscher*innen aus dem Wiener Kinderstudien Labor der Universität Wien haben in Zusammenarbeit mit der University of East London folgende Zusammenhänge zwischen Spracherwerb und Musikwahrnehmung in der frühen Kindheit gefunden:

  1. Musik motiviert: So genannte komplexe musikalische Strukturen, schnelle Rhythmenwechsel oder ein Wechsel der Tonlage wirken auf Babys anregend und aktivierend. Sie werden dadurch gefördert, sich zur Musik zu bewegen oder selbst Laute/Töne von sich zu geben.
  2. Musik beruhigt: Sanfte, langsame und leise Lieder, die sich regelmäßig wiederholen, haben eine beruhigende Wirkung auf Babys. Das konnte mittels Elektroenzephalographie (EEG) anhand der Gehirnaktivität der kleinen Studienteilnehmer*innen gemessen werden.
  3. Musik ist immer da: Sie spielt eine tiefgreifende Rolle im Alltag eines Babys. Idealerweise wird immer wieder beim Spielen, beim Wickeln oder beim Anziehen gesungen. Natürlich soll es zwischendurch auch ruhige Phasen geben, damit dein Baby alle Eindrücke verarbeiten kann.

Wissenschaftliche Studien zur Wirkung von Musik

Du hast es vielleicht selbst schon bemerkt: Wenn du deinem Baby vorsingst und es dabei vielleicht sogar noch sanft in deinem Arm wiegst, fällt es ihm leichter, sich zu beruhigen.  Aber auch bei vertrauter Musik, z.B. einem Lied, das Babys immer wieder vorgespielt wird, kann sich der Nachwuchs entspannen. Musik unterstützt dein Kind also bei der emotionalen Regulation. Das ist mittlerweile auch wissenschaftlich gut erforscht. Studien belegen, dass Musik eine ausgleichende Wirkung auf Babys und Kleinkinder hat und ihnen hilft, Stress abzubauen. Lieder wie Schlaflieder oder ruhige Musikstücke führen dazu, dass Babys sich wohlfühlen und leichter einschlafen. Eine Studie aus Kanada zeigte, dass Babys, die ruhige Musik hören, eine niedrigere Herzfrequenz aufweisen und weniger weinen als Babys, die keine Musik hören. Auch die emotionale Bindung zwischen Eltern und Kind wird durch das gemeinsame Musizieren gestärkt. Beim Singen von Wiegenliedern entsteht eine intime, vertraute Atmosphäre, die das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit fördert. Dies wiederum stärkt die Bindung und das Vertrauen zwischen Eltern und Kind.

Wusstest du, dass Musik auch die motorische Entwicklung deines Kindes fördert? Mitklatschen, Tanzen und Bewegen zur Musik begünstigen die Entwicklung der Grobmotorik und Koordination. Ein Beispiel hierfür ist eine Studie aus Finnland, die herausfand, dass Babys, die regelmäßig mit Musik interagierten, eine bessere motorische Kontrolle entwickelten. Dabei ist der aktive Umgang mit Musik – ob durch einfache Instrumente wie Rasseln oder durch das Tanzen – besonders wirksam. Hört ein Kind bereits im Mutterleib regelmäßig unterschiedliche Klänge, Töne, Melodien oder den Gesang einer vertrauten Bezugsperson, werden auch beim Ungeborenen Gehirnareale aktiviert, die für Sprache und Musik zuständig sind. Bis sich der Gehörsinn vollständig entwickelt hat, ist etwas Geduld gefragt.

Zwischen der 16. und 18. Schwangerschaftswoche können Babys schon einzelne Töne wahrnehmen, ab der 24. Schwangerschaftswoche hört es Melodien und Sprachmuster – Babys drehen ihren Kopf im Mutterleib in die Richtung, aus der die Musik kommt. Im dritten Trimester kann ein Baby die Stimme seiner Eltern oder nahen Bezugspersonen erkennen. Ebenso nimmt es die Muttersprache, Tonfall, Sprachrhythmus und Stimmmelodien wahr. In dieser Zeit kannst du dein Baby vorgeburtlich fördern, indem du ihm ruhige, sanfte Lieder vorspielst oder selbst singst. Dein Kind wird sich später an das Lied oder die Melodie erinnern, wenn sie im Mutterleib oft genug wiederholt wurde.

In der Geburtsvorbereitung und in der Geburtshilfe kommt Musik ebenfalls zum Einsatz. Studien zeigen, dass durch den richtigen Einsatz von Musik Stress, Anspannung und Geburtsschmerz reduziert werden können. Eine Studie von Shobeiri und Kolleg*innen konnte nachweisen, dass eine passive Musiktherapie, die vier Wochen lang bei Schwangeren durchgeführt wurde, die Schlafqualität der Teilnehmer*innen verbesserte. Andere Studien haben gezeigt, dass Schwangere, die regelmäßig eine bestimmte Art von Musik hörten, ein niedrigeres Angst- und Stresslevel aufwiesen als jene aus der Kontrollgruppe. Gewisse Geburtsvorbereitungstechniken, die der werdenden Mama helfen sollen, sich zu entspannen und auf die Geburt vorzubereiten, setzen ebenfalls Musik als Intervention ein.

Die beliebtesten klassischen und modernen Schlaflieder

Es gibt unzählige Schlaflieder, die du deinem Kind vorsingen kannst. Viele Eltern greifen auf jene Lieder zurück, die sie bereits aus ihrer Kindheit kennen. Andere wiederum singen gerne moderne Lieder oder wiederholen jene Lieder, die von der Spieluhr des Kindes gespielt werden. Wir haben ein paar bekannte Lieder für euch zusammengestellt, wobei die Liste keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Klassische Schlaflieder

  • „Guten Abend, gute Nacht“ (Johannes Brahms)
  • „Twinkle, Twinkle, Little Star”
  • „La Le Lu”
  • „Rock-a-Bye Baby”
  • “Schlaf, Kindlein, schlaf”
  • „Der Mond ist aufgegangen“
  • „Müde bin ich, geh zur Ruh“
  • „Still, still, still, weil's Kindlein schlafen will“
  • „Weißt du, wie viel Sternlein stehen?“
  • „Die Blümelein, sie schlafen“
  • „Wer hat die schönsten Schäfchen“?

Moderne Schlaflieder

  • „Your Song“ (Elton John)
  • „You are my sunshine“
  • „Stay awake“ (Mary Poppins)
  • „Somewhere Over the Rainbow" (Israel Kamakawiwoʻole)
  • „Let it be” (Beatles)
  • „Baby Mine" (Dumbo)

Elterntipps: Darauf solltest du beim Singen achten

Wenn du deinen Kindern vorsingen möchtest, dann geht es in erster Linie einfach einmal darum, es zu tun. Unabhängig davon, ob du klassische Kinderlieder, deine Lieblingssongs oder bekannte Schlaflieder trällerst, wenn du es mit Freude machst, wird dein Kind sich ebenfalls freuen. Mache dir keine Gedanken darüber, ob du „gut“ oder „schlecht“ singen kannst, ob du Töne triffst oder immer textsicher bist. Für dein Baby spielt das überhaupt keine Rolle. Es fühlt sich wohl und geborgen beim Klang deiner Stimme, schließlich ist sie ihm schon aus dem Mutterleib bestens bekannt. Schalflieder funktionieren, denn das Vorsingen intensiviert die Bindung zwischen dir und deinem Baby und vermittelt ihm rundum ein Gefühl von Geborgenheit.

Tipps zum Vorsingen

Wir haben noch ein paar Tipps für dich gesammelt, was du beim Vorsingen beachten sollst und wie du daraus ein liebevolles Abendritual machen kannst:

So wie du singst, ist es genau richtig

Es geht nicht darum, das perfekte Schlaflied vorzusingen oder die Töne exakt zu treffen. Dein Baby liebt deine Stimme genau so, wie sie ist. Sie ist ihm bereits aus der Schwangerschaft bekannt und löst vertraute Gefühle aus. Hier geht es um Emotion und nicht um Perfektion. Sei also ganz entspannt, wenn es ums Vorsingen geht.

In Kontakt bleiben

Während du deinem Kind etwas vorsingst, ist es wichtig, mit ihm auch körperlich eine Verbindung einzugehen. Halte den Blickkontakt und achte auf Körper- oder Hautkontakt. Kleine Babys und Neugeborene kannst du im Arm halten und wiegen. Größere Kinder kuscheln sich dann gerne bei Mama und Papa auf den Schoß oder schmiegen sich im Liegen an. Du kannst dein Kind aber auch gerne sanft streicheln oder massieren.

Wiederholung

Rituale entstehen, wenn sich gleichbleibende Abläufe konstant wiederholen. Deinem Kind gibt es Sicherheit, wenn du ihm jeden Abend etwa zur gleichen Uhrzeit vorsingst und dafür immer die gleiche Situation wählst, z.B. während es schon in seinem Bettchen liegt. Wiederhole auch die Lieder – sie werden deinem Kind bestimmt nicht langweilig. Im Gegenteil. Babys gewöhnen sich an die Melodie und verknüpfen sie bald mit dem Einschlafen.

Sanft & ruhig

Schlaflieder sollten immer ruhig und gleichmäßig sein. Sanfte Melodien und langsame Rhythmen wirken auf dein Baby beruhigend. Achte darauf, nicht zu laut oder zu schnell zu singen und dabei vielleicht auch noch zu klatschen oder zu klopfen. Das würde deinem Baby vermutlich Spaß machen, weckt es aber eher auf, anstatt es zu beruhigen. Ein gleichmäßiges Tempo und sanfte Töne helfen dem Baby, sich auf den Schlaf vorzubereiten. Du kannst auch leise oder in einem Flüsterton singen.

Je monotoner, desto besser

Auch das klingt für dich vielleicht etwas fad, für dein Baby ist es aber genau richtig. Deine Stimmführung sollte ruhig und gleichmäßig sein. Abrupte Wechsel der Stimmlage oder Lautstärke sind zu vermeiden, da sie dein Kind möglicherweise erschrecken. Achte darauf, dass du beim Vorsingen möglichst wenig angestrengt bist und eine natürliche Stimmlage einnimmst. Wenn du künstlich hoch oder tief singst, wirkt das auf dein Baby möglicherweise zu „kreischend“ oder zu „hart“. Je wärmer und natürlicher du deine Stimme führst, desto angenehmer für dein Baby. Ebenso wichtig: Ein langsamer, ruhiger und gleichmäßiger Rhythmus, der ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermittelt.

Auf die richtige Atmosphäre kommt es an

Schaffe für dein Kind vor dem Schlafengehen ein angenehmes Raumklima und sorge für eine ruhige, entspannte Stimmung. Dunkle das Zimmer ab und wähle ein sanftes Nachtlicht für die Beleuchtung. Hintergrundgeräusche sollten möglichst minimiert werden. Ebenso sind Fernseher, Handy oder elektronische Geräte tabu. Dein Kind sollte in eine Stimmung versetzt werden, die es ihm ermöglicht, vom Tag loszulassen und sanft in den Schlaf überzugleiten.

Expert*innen-Überprüfung durch:

Stefanie Hoehl

Univ.-Prof.in Dr.in Stefanie Höhl

Stefanie Höhl ist Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Wien. Sie leitet dort die Wiener Kinderstudien zur Erforschung der frühen sozialen Entwicklung und der Entwicklung des Denkens.

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